Vielleicht liegt es daran, dass ich in den letzten Tagen zig Fragen zum Thema Suizidalität in Vorbereitung auf die Prüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie beantwortet habe, vielleicht wäre es auch sowieso dran gewesen…
Ich habe den Wunsch mit euch über die Komfortzone zu sprechen.


Das Konzept der Komfortzone ist omnipräsent


Es gibt kaum eine Person in der Welt der Persönlichkeitsentwicklung, die diese Metapher noch nicht genutzt hätte.
(Ja, mich eingeschlossen.)
Doch es ist an der Zeit dieses Konzept zu hinterfragen, denn es hinkt an ein paar Ecken. Da genau diese Ecken manche von euch dazu bringen, euch selbst abzuwerten, will ich sie nicht einfach so stehen lassen. Ich will dich wenigstens vor diesen Ecken warnen, denn Selbstverachtung ist eine Sackgasse der Selbstoptimierung, egal wie toll die Metapher dahinter ist.

Kurz zum Hintergrund falls du noch nie etwas von der Komfortzone gehört haben solltest:


Die Komfortzone meint den sicheren, wohligen Zustand, in dem du dich aktuell wohlfühlst. Dort bist du zufrieden und kennst alles.
Doch außerhalb der Komfortzone liegt je nach Konzept zuerst die Lernzone gefolgt von der Panikzone oder direkt ein unbekanntes Niemandsland – das sogenannte kalte Wasser, das nicht näher definiert ist.
Klar scheint nur: Dort fühlt sich nichts sicher an, nichts wohlig, sondern dort ist die Angst und dort ist es unbequem.
In der Persönlichkeitsentwicklungs-Szene und in vielen weiteren Bereichen wird oft propagiert: Das wahre Leben und Entwicklung findet nur außerhalb der Komfortzone statt.
„Raus aus der Komfortzone!“ lautet der Imperativ, den du von vielen Dächern tönen hörst.

Es geht nicht darum, die Komfortzone zu verteufeln, sondern um einen achtsamen Umgang mit ihr

Ist doch cool, Lawreen.
Dann springe ich ins kalte Wasser und gut ist.
Ist doch eine tolle Metapher, die mich daran erinnert, dass ich nicht immer dasselbe machen und andere Ergebnisse erwarten darf.
Okay geschenkt. Das sind echt gute Argumente für diese Metapher.
Und ich sag’s gleich, ich möchte dich ja auch nicht davon abbringen, das Konzept für dich zu nutzen.
Nein, ich möchte dir helfen, es achtsamer mit dieser Forderung umzugehen.

Druck erzeugt oft Gegendruck! Vom inneren Umgang mit dem Druck die Komfortzone zu verlassen


Denn, was passiert denn bei dir, wenn dir jemand rät, dass du raus aus der Komfortzone musst?
Fühlst du dich dann angenommen und verstanden?
Oder sagst du eher innerlich „ich weiß ja, aber…“ nur um dich dann im nächsten Moment über dein inneres „Aber“ zu ärgern?

Denn hinter dem Aber kommt – das wissen wir auch von vielen Mentoren aus der Szene – oft nur eine Ausrede.
Folglich kann es sein, dass du die Aufforderung aus deiner Komfortzone raus zu kommen, nutzt um dich klein zu machen, indem du den Gedanken, die insgeheim mit der Komfortzone einhergehen zustimmst:


„Wenn ich mich in dem Bereich bewege, der für mich komfortabel ist, lerne ich nichts.“
„Menschen sind / ich bin grundsätzlich faul.“
„Wenn ich mich noch nicht getraut habe, aus meiner Komfortzone zu springen,
…dann verpasse ich mein Leben,
…dann bin ich ein dummes Opfer,
…dann gebe ich meinen Ausreden nach,…“


… was dann?

Ergänze mal den Satz mit dem, was du über dich denkst, wenn du dich nicht aus der Komfortzone traust.
Wo landest du mit diesen Gedanken?
Geben sie dir Kraft und Mut in neue bisher unbekannte Bereiche vorzudringen und etwas komplett anders zu machen?
Wohl eher nicht, oder?

In düsteren Momenten ist die Forderung, die Komfortzone zu verlassen besonders gefährlich!


Um diesen Punkt noch zu verdeutlichen, lade ich dich ein an jemanden zu denken, der überhaupt nicht zufrieden ist. An einen Menschen, der sich jetzt schon mit dem Gedanken herumschlägt, ob sich dieses Leben überhaupt lohnt…
(Du erinnerst dich, ich lerne gerade viel über Suizidalität.)
Was für fatale Auswirkungen hat es denn für diesen Menschen, wenn er hört, dass die Komfortzone ein Ort sei, die er unbedingt meiden müsse, weil dort ja angeblich Stillstand herrscht?


Da ist doch ehrlich gesagt eher das Gegenteil wahr: Wer in einem sehr ausgeprägten Maße unzufrieden ist und permanent Ängste erlebt, sollte doch viel eher den Weg in einen Zustand finden, der genau das umfasst, was die Komfortzone beschreibt: Einen Zustand, der sich sicher anfühlt, indem er geborgen und akzeptiert ist.
Stattdessen kann die Metapher der Komfortzone in solch düsteren Momenten dazu führen, dass der eigene innere Kritiker noch Nahrung bekommt und einen für „zu faul“ hält und antreibt irgendwie doch zu funktionieren, statt sich die Bedürfnisse zu erfüllen, die das Leben ein bisschen komfortabler und zufriedener gestalten würden.

Ich schreibe bewusst „kann“ denn, natürlich ist es nur eine von vielen Möglichkeiten. Wenn du achtsam mit dir umgehst, kannst du diese Idee, dass es sowas wie eine Komfortzone gäbe auch super FÜR DICH nutzen, indem du beispielsweise Mal für deine Bedürfnisse einstehst, obwohl es sich vielleicht ungewohnt anfühlt.
Was ich damit sagen möchte, ist, dass es Sinn ergibt, die Richtung entsprechend deiner Bedürfnisse zu wählen und nicht einfach irgendwie aus deiner Komfortzone auszusteigen und im ungewohnten, unsicheren, ängstlichen und unglücklichen zu landen… 😉

Lernen wir wirklich nur außerhalb der Komfortzone?


Die andere Ecke an der Komfortzonen-Metapher ist das, was wir am Lernen von Kindern beobachten können. Sie lernen dann am besten, wenn sie spielen, sich wohl fühlen, bestärkt werden.
Nicht dann, wenn sie Angst haben, unter Druck sind und ausgelacht werden.
Und Spoiler-Alarm bei uns Erwachsenen ist das nicht anders. Kristin Neff hat zum Beispiel untersucht, ob Menschen, die sich selbst mit einem inneren Kritiker stark unter Druck setzen tatsächlich bessere Leistungen erbringen als die, die sich selbst wohlgesonnen begegneten und der Druck hatte keine positive Auswirkung auf die Leistung.

Wie wäre es mit einer anderen Metapher, bei der du deinen Komfort nicht aufgeben musst, um eine neue Richtung einzuschlagen?


Daher: Ja, etwas Neues und anderes Wagen ist toll und wichtig. Musterunterbrechungen sind sehr hilfreich um neue Gewohnheiten zu etablieren bzw. aus dem Autopiloten auszubrechen.
Doch wenn du etwas Neues wagst, brauchst du deine Komfortzone dafür nicht zu opfern. Überlege dir doch viel eher: Was könnte es dir so komfortabel wie möglich machen diese neue Aufgabe zu erfüllen?
Welche Ressourcen kannst du dafür anzapfen?
Was hast du schon, was dir dazu beiträgt, das zu machen, was du bisher noch nicht gemacht hast?
Welche kleinen Schritte oder großen Sprünge traust du dir jetzt schon zu?
Welche Gedanken und Gefühle sind hilfreich für dich, um dich auf deinem Weg zu unterstützen?
Mit welchem Gedanken würdest du dich auch dann, wenn du etwas zum ersten Mal machst, wohl fühlen?
Ich schlage vor statt der Komfortzone die Metapher des Autopiloten zu nutzen.
Es kann sein, dass du, wenn du eine andere Richtung in deinem Leben einschlagen willst mal aus dem Autopiloten in den manuellen Modus wechseln musst.
Das kann fordernder sein, weil du auf einmal wieder viel mehr Signale beachten darfst und achtsamer bist als auf Autopilot und doch kannst du an deinem Steuer alle Gefühle haben, auch die angenehmen, freudvollen, komfortablen.❤🤗

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